Mit dem Rad auf dem Leine-Radweg oder als Pilgernde auf der „Via Scandinavia“ unterwegs und für jemanden eine Dankkerze anzünden? Oder reinschauen für ein paar Minuten Ruhe und ein Gebet? In der St.-Marienkirche in Laatzen-Grasdorf ist das ab 1. April täglich zwischen 10 und 18 Uhr kein Problem. Dann ist sie bis Ende Oktober verlässlich geöffnet. Im vergangenen Oktober hatte eine Gruppe aus der Grasdorfer Ortskirchengemeinde die Idee, den Pilgerinnen und Pilgern mehr Wertschätzung entgegen zu bringen. „Wir wollten die Kirche auch außerhalb der Gottesdienste verlässlich geöffnet halten“, sagt Tobias Pichotka, Küster, Kunsthistoriker und Mitglied im Grasdorfer Team. Aber wie öffnen für eine lange Zeit am Tag, wenn es dafür kein Personal gibt?
Die nächste Idee war geboren: Vor allem Ralph Beerbohm vom Kirchenvorstand hat sich mit einer Tischlerei, einer Elektrikerfirma und einem Malerbetrieb zusammengesetzt und die Lösung gefunden: Die Tür im Turm der Kirche wurde mit einem elektrischen Zeitschloss versehen, so dass sie automatisch von 10 bis 18 Uhr öffnet und danach die Kirche abschließt. „Das ist bislang einmalig in der Landeskirche“, sagt Pastor Klaus Stemmann aus der Abteilung Kirche im Tourismus im Haus kirchlicher Dienste der Landeskirche Hannovers. Er hat den Grasdorfern ein neues Signet aus Plexiglas mitgebracht, das nun enthüllt wurde; darauf die kleinen Zeichen für die verlässlich geöffnete Kirche, die Pilgerkirche und die Radwegekirche. „Das ist das höchste Level in der Landeskirche“, sagte Stemmann. Die verlässlichen Zeiten entsprächen voll den Bedürfnissen von Pilgernden und Radwandernden.
Aber nicht nur über die Zeiten haben sich die Grasdorfer Gedanken gemacht. Für die kleine Pause gibt es eine Sitzbank vor der Kirche, dazu kommen Fahrradständer. Wird die Turmtür geöffnet, schaltet sich automatisch das Licht ein. Neben dem Turm beginnt ein kleiner Weg, der zum Leine-Radweg und zum Pilgerweg „Via Scandinavia“ hinunterführt. Wenn die verlässliche Kirche am 1. April öffnet, wird es im Turm dazu noch einen kleinen Schrank mit Mineralwasser geben, abgegeben gegen Spende. Dort wird auch das neue Gästebuch einen Platz finden, das Stemmann als Geschenk mitgebracht hat – und natürlich der Pilgerstempel. In der Kirche gibt es an drei Stationen kleine Aufsteller mit einem QR-Code. Diese führen auf informative Seiten und kleine Videos, die etwas über die Grasdorfer Kirche erzählen. Für den Umbau habe man eine vierstellige Summe ausgegeben, sagt Hans-Hermann Walten vom Team. Und für die Sicherheit aller Besucherinnen und Besucher wurde zusätzlich ein Defibrillator angeschafft, mit dem auch Laien bei einem Herzkammerflimmern Erste Hilfe leisten können.
Und es gibt weitere Ideen: ein WC ist geplant, evtl. im Eingangsbereich des alten Pfarrhauses. Und es wird daran gedacht, sich an Grasdorferinnen und Grasdorfer zu wenden, die vielleicht für Pilgernde ein Zimmer zur Verfügung stellen könnten. Nach Voranmeldung sei das im kleinen Rahmen im neuen Gemeindehaus bereits möglich, sagt Pastor Burkhard Straeck.
Rund 370 Kirchen in der Landeskirche Hannover sind zurzeit verlässlich geöffnet. Es sei wichtig, allen Menschen einen Zugang zur Kirche zu ermöglichen sagt Klaus Stemmann. In einer Kirche könne man loben, preisen danken, klagen oder auch seine Wut vor Gott bringen. „Manche beten, manchen zünden eine Kerze an“, sagt Stemmann, es fehle nicht viel zu einem Gottesdienst. Pastor Burkhard Straeck dankte vom Herzen dem Team, denn damit habe die Gruppe etwas geschaffen, das weit über seine eigene Tätigkeit an St.-Marien hinausweise. Denn er selbst geht am 1. Advent in den Ruhestand. Zum Team, das sich mit der Umgestaltung beschäftigt hat gehören Tina Andräs, Ralph Beerbohm, Gisela Noack, Renate Paarmann, Tobias Pichotka und Hans-Hermann Walten.
Info Pilgerweg „Via Scandinavica“: Die Via Scandinavica ist ein Teil des Jacobsweg-Systems und führt auf 655 km von Fehmarn bis Eisenach. Die Strecke Hannover-Sarstedt ist die 18. Etappe und führt durch die Leinemasch durch Laatzen-Grasdorf.
shw