Kopfzeile November 1

 SB

Geschenkte Zeit

Geschenkte Zeit

Mitte vierzig, mitten im Leben, mir geht es gut - was soll da ein Gesundheitscheck bringen? Trotzdem vereinbare ich einen Termin bei der Hausärztin, um mich einmal gründlich untersuchen zu lassen. Meine Augenärztin hatte es mir geraten, weil sie irgendetwas in meinem Augenhintergrund gesehen hat, was ihr verdächtig vorkam. Was soll man denn da schon erkennen können? Aber es wird meine Familie und mich doch irgendwie beruhigen, wenn auch von fachlicher Seite festgestellt wird, dass mir nichts fehlt.

Na bitte, alles in Ordnung; Blutwerte, EKG, körperliche Verfassung usw. – und dieses etwas merkwürdige Zischen, was nur sehr schwach mit dem Stethoskop zu hören ist, wird sich auch als harmlos herausstellen. Mir geht es doch gut.

Das allerdings erweist sich langsam als Irrtum. Ein wahrer Ärztemarathon mit halbwegs beruhigendem Zwischenergebnis („gut, dass es nur eine starke Ektasie ist – bei einem Aneurysma hätten Sie ein wirklich schlimmes Problem“) führt schließlich zur Diagnose: Aneurysma der Aorta ascendens mit einhergehender schwerer Aortenklappeninsuffizienz.

Ohne rechtzeitige Operation hätte die Krankheit in absehbarer Zeit zum fast sicheren Tod geführt – mit Mitte vierzig, mitten aus dem Leben!?

 

 

 

Liebe Menschen haben damals mit mir gelitten und meine Hand gehalten. Sie haben für mich gehofft und gebetet, wie ich es selbst getan habe. Das ist jetzt zehn Jahre her.

Aus meinen Gebeten der Hoffnung von damals sind bis heute Gebete der Dankbarkeit geworden für Geborgenheit und geschenkte Zeit.

Heute mit Mitte fünfzig, mitten im Leben, geht es mir gut. Daran denke ich oft, gerade in der dunklen Jahreszeit, wo sich auch die Themen des Kirchenjahres vermehrt mit Sterben und Tod befassen. Für mich ist diese Erinnerung ein helles Licht an dunklen Tagen. Daraus schöpfe ich Kraft und Zuversicht. Und ich hoffe, dass auch für Sie und euch in dunklen Tagen ein Licht scheinen wird, das wärmt, die Seele erhellt und Hoffnung gibt.

Frank Nußbaum