Orgel von der Empore
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Die restaurierte Meyer-Orgel in der Kirche zu Hüpede

Nach seinen Lehrjahren, unter anderem beim damaligen hannoverschen Hoforgelbauer Wilhelm Heinrich Bethmann, ließ sich Ernst Wilhelm Meyer 1806 in Hannover nieder und eröffnete vier Jahre später seine eigene Meisterwerkstatt.

Nachdem sein bis dahin größter Konkurrent Christian Bethmann, der Sohn seines Lehrmeisters, verstarb, wurde Ernst Wilhelm Meyer 1834 selbst zum Hoforgelbauer ernannt.

Im Jahr 1838 übergab E. W. Meyer die Leitung des Unternehmens an seine beiden Söhne (Friedrich) Eduard und Carl Wilhelm, blieb aber noch einige Jahre im Unternehmen tätig, das im Bereich der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und darüber hinaus einen hervorragenden Ruf genoss.

Der eigentliche Geschäftsnachfolger des berühmten Vaters war Eduard Meyer, der die Firma auch nach außen repräsentierte und für das künstlerische Konzept der Instrumente verantwortlich war. Sein jüngerer Bruder Carl Wilhelm Meyer kümmerte sich um Planung und Ausstattung der Orgeltechnik.

Im Gegensatz zum konkurrierenden Philipp Furtwängler aus Elze, der eine große Anzahl stilistisch eher progressiv ausgerichteter Instrumente erschuf, folgte Meyer mit seinen frühromantischen Werken der Tradition des spätbarocken Orgelbaus.

Bis zum Erlöschen der Firma im Jahre 1870 konzipierte und errichtete die Orgelbauwerkstatt Meyer mehr als einhundert Pfeifenorgeln.

Eines dieser historischen Instrumente befindet sich seit 1849 in der Kirche der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Hüpede.

Das deutsche Wort „Orgel“ lässt sich vom griechischen Begriff „organon“ ableiten, der unter anderem für „Instrument“ steht.

Eine, oft sehr große, Pfeifenorgel (in Abgrenzung zur elektronischen Orgel) arbeitet grundsätzlich mit einem Orgelwind genannten Luftstrom, der mittels einer oder mehrerer Klaviaturen / Manuale, gegebenenfalls auch zusätzlichem Pedal über die Traktatur zu den Pfeifen geleitet wird.

Früher mussten Pedale getreten werden - oft eine Aufgabe der Konfirmanden -  um über einen Blasebalg die Luft in die Pfeifen zu pumpen. Heute wird die Luft kontinuierlich durch ein elektrisches Gebläse in die Windlade gefördert.

Der Organist kann verschiedene Register (Pfeifenreihen unterschiedlicher Tonhöhe und Klangfarbe) ansteuern und auch mischen, so dass sich ganz verschiedene Klangstimmungen erzeugen lassen – vom zarten Flötenton bis zum „organo plenum“ (volle Orgel), wenn alle Register gezogen sind und man den Eindruck bekommt, ein komplettes Orchester zu hören.

Diese vielfältigen Klangmöglichkeiten gibt es bei keinem anderen Instrument. So lässt sich der Klang der Orgel gut variieren. Außerdem kann der Organist mal ganz leise spielen und dann wieder so laut, dass fast die Wände wackeln.

Bereits vor etwa 2.000 Jahren wurden Orgeln am Hof der Cäsaren zur Unterhaltung eingesetzt. Kirchenorgeln gibt es aber erst seit Anfang des  9. Jahrhunderts,  als Karl der Große eine Orgel im Aachener Dom aufstellen ließ. Danach verbreiteten sich die Instrumente in der westlichen Welt, wobei die Werke immer größer wurden.

Kamen die Orgeln anfangs mit etwa 400 Pfeifen aus, waren im 15. Jahrhundert Exemplare mit 4000 Pfeifen und mehr keine Seltenheit. Die größte Kirchenorgel der Welt steht heute im Dom zu Passau mit 5 Manualen, 233 Registern und fast 18.000 Pfeifen sowie vier Glockenspielen.

Noch größer ist die Theaterorgel in Atlantic City im US-Staat New Jersey mit 7 Manualen, 314 Registern und mehr als 30.000 Pfeifen. Allerdings ist das Instrument in einem recht desolaten Zustand und bis heute nicht voll bespielbar.

Mit diesen technischen Daten kann die kleine Hüpeder Orgel nicht mithalten, die lediglich über 1 Manual, 1 Pedalkoppel, 6 Manualregister, 2 Pedalregister und 462 Pfeifen, davon 47 sichtbare Metallpfeifen im Orgelprospekt, verfügt.

Aber auch sie hat eine Besonderheit aufzuweisen: Einen Zimbelstern.

Dabei handelt es sich um ein Effektregister mit einem verdeckt angeordneten klingenden Spielwerk, bestehend aus drei kleinen Glocken, die von Hämmern angeschlagen werden und dem sichtbaren Zimbelstern. Beides wird über eine rotierende Achse angetrieben, wenn der Organist den Registerzug „Stern“ bedient und damit Luft aus der Windlade auf die Antriebsflügel leitet.

Der Betrieb des Zimbelsterns erfolgt in aller Regel gleichzeitig mit dem Orgelspiel, wodurch triumphale Orgelmusik einen zusätzlichen feierlichen Akzent erhält. Traditioneller Einsatzbereich des Zimbelsterns ist oft – so auch in Hüpede -  die letzte Strophe des Weihnachtsliedes „O du fröhliche“, weswegen dieses Register unter den Organisten auch scherzhaft „Zimtstern“ genannt wird.

Dank regelmäßiger Pflege durch Reinigung, Holzwurmbehandlung und Wartung verfügt die Hüpeder Meyer-Orgel noch über einen hohen Anteil an originaler Substanz, obwohl in den vergangenen Jahrzehnten doch schon einige Komponenten ausgetauscht wurden, nicht immer zum Besten des Instrumentes.

So mussten die originalen Prospektpfeifen aus einer Zinnlegierung für einen anderen Verwendungszweck im 1. Weltkrieg abgegeben werden und wurden 1919 durch solche aus Zink ersetzt.

Eine technische Verbesserung erfolgte 1935 mit dem Einbau des ersten elektrischen Gebläses, das 1958 einen neuen Motor bekam. Gleichzeitig erhielt das Windwerk einen neuen Schwimmerbalg, der 2010 durch einen Keilbalg ersetzt wurde.

Dem damaligen Zeitgeist war es wohl geschuldet, dass 1954 die Disposition einiger Register verändert wurde, um ein tieferes Tonspektrum zu erzeugen. In diesem Zusammenhang wurden einige Maßnahmen durchgeführt, die der Substanz des Instrumentes zugesetzt haben. Ziel der damaligen Umbaumaßnahmen war eine „Klangverbesserung“ der Orgel – erreicht wurde eher das Gegenteil.

Ein weiterer großer Eingriff erfolgte 1968 mit der Installation eines neuen Spieltisches, neuer Mechanik und Pedalkoppel.

Als nun eine erneute Grundreinigung der Meyer-Orgel anstand, stellte sich schnell die Frage, ob man diese Gelegenheit nicht nutzen sollte, Umbausünden früherer Jahrzehnte rückgängig zu machen, damit das historische Instrument seinen ursprünglichen Klang wieder erhält.

Auf jeden Fall sollte auch gleichzeitig nachhaltig gegen den Schimmelbefall vorgegangen werden, der immer stärker zum Problem von Kirchenorgeln wird, leider auch in Hüpede. Vor dem Hintergrund einer umfassenden Fenstersanierung im Kirchenschiff wurde geprüft, ob bei dieser einmaligen Gelegenheit auch gleich eine automatische elektronische Außen- und Raumklimagesteuerte Lüftungsanlage integriert werden kann, die optimale klimatische Bedingungen für die Orgel schafft und so die Gefahr von Schimmelbefall minimiert.

Durch eisernes Sparen und viele Spenden konnte die Kirchengemeinde zwar über Jahre hinweg bereits einen finanziellen Grundstock für die sehr kostenintensiven anstehenden Maßnahmen aufbauen – gedacht war bis dahin allerdings nur an die unbedingt notwendige Reinigung der Orgel sowie weitere zwingend erforderliche Instandsetzungsarbeiten. Dann allerdings wären erneute Sanierungsarbeiten innerhalb kurzer Zeit vorhersehbar gewesen.

Oft und lange wurde im Kirchenvorstand diskutiert und gerungen, ob nur die kleine, und damit zunächst deutlich billigere Lösung umgesetzt werden sollte.

Letztendlich haben sich die Verantwortlichen von Fachleuten wie dem Orgelsachverständigen der Landeskirche, Herrn Becker-Foss sowie der Orgelbaufirma Hillebrand überzeugen lassen, den großen Wurf zu wagen.

Wenn die gesamte Orgelanlage zu ihrer ursprünglichen Disposition zurückgeführt und der Orgelprospekt wieder mit Zinnpfeifen bestückt wird, werde das Instrument das Klangspektrum zurückerhalten, für das es vor nunmehr fast 170 Jahren erbaut wurde. Unter diesen Voraussetzungen könnten dann auch höhere Zuschüsse der Landeskirche akquiriert und ein größeres Spendenaufkommen erzielt werden, so hieß es. Von nun an allerdings war es für alle Beteiligten ein hartes Stück Arbeit.

Letztendlich sollten die Experten aber Recht behalten. Die Spendenbereitschaft war sehr groß, wofür gar nicht genug gedankt werden kann.

Gleichzeitig konnte in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Amt für Bau und Kunstpflege auch die Landeskirche überzeugt werden, dass die angedachte klimagesteuerte automatische Lüftung der ohnehin zu erneuernden Kirchenfenster in diesem Fall besonders sinnvoll ist und installiert wird.

Durch diese Baumaßnahmen sowie die gründliche Überarbeitung und Reinigung der gesamten Orgelanlage ist jetzt zu erwarten, dass die Kirchengemeinde lange Zeit ungetrübte Freude an ihrem Instrument haben wird. Vor allem aber können sich die Kirchenbesucher nach Abschluss der umfassenden Restauration nun neben einer optischen Verbesserung durch neue Prospektpfeifen vor allem an einem stark verbesserten Klang erfreuen.

Im Abnahmebericht des Orgelsachverständigen Becker-Foss liest sich das dann so: „Die Orgel ist im entscheidenden Bereich „Windladen, Pfeifenwerk und Prospektansicht“ fachgerecht restauriert, so dass das Instrument nunmehr klanglich dem Denkmal-Status entspricht. Die Intonation ist den Intonateuren des Hauses Hillebrand (Pabst und Buschmeier) vorzüglich gelungen. Der alte frische Meyer-Klang ist wieder da und die Orgel eignet sich nunmehr vorzüglich zur Gemeindebegleitung, aber auch für angemessene Orgelliteratur. Wie bei den guten Meyer-Orgeln üblich, überzeugt das Klangbild durch Vokalität, klangliche Größe und kammermusikalische Delikatesse. Die beiden Flöten sind sehr poetisch. Die Prinzipale (darunter der neue Principal 4‘, der, wiederum aus einer Zinnlegierung hergestellt, den auch optisch unschönen Zink-Prospekt von 1919 ersetzt) geben ein kerniges und doch geschmeidiges Rückgrat, die Mixtur ist – im Gegensatz zur Barockorgel – eher eine besondere Klangfarbe, während die Oktave 2‘ die Klangkrone bildet.

Es ist schön, dass die Gemeinde es gewagt hat, diese für den kleinen Ort gewaltige Aufgabe der Restaurierung auf sich zu nehmen.“

Heiligabend 2017 konnte die erneuerte ehrwürdige Orgel erstmalig wieder in Betrieb genommen werden. Die offizielle Wiedereinweihung wurde am 14. Januar 2018 mit einem festlichen Orgelgottesdienst gefeiert.

(Text Frank Nußbaum)

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